BESCHLUSSVORLAGE - mBüro/281/2013
Grunddaten
- Betreff:
-
Antrag von Stadtrat Norbert Fröhler vom 18.12.2013 auf ein offenes W-LAN für Garching;
- Status:
- öffentlich (Vorlage freigegeben)
- Vorlageart:
- BESCHLUSSVORLAGE
- Geschäftsbereich:
- Büro des Ersten Bürgermeisters
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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Erledigt
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Haupt- und Finanzausschuss
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Entscheidung
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16.04.2013
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I. Sachvortrag:
Mit Schreiben vom 18.12.2012 beantragt Stadtratsmitglied Norbert Fröhler, auf den öffentlichen Plätzen der Stadt Garching b. München einen offenen W-LAN-Zugang zum Internet zur Verfügung zu stellen.
Errichtung und Betrieb des W-LAN Netzes soll nach Möglichkeit privatwirtschaftlich bzw. ehrenamtlich erfolgen. Die Stadt Garching soll aber als Pilotprojekt für die Bücherei und auf dem Bürgerplatz einen ersten offenen W-LAN-Zugang zur Verfügung stellen. Die Kosten für die Anschaffung der Hardware werden auf maximal 1.500 € geschätzt und soll aus dem Budget der Bücherei getragen werden.
Hier ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen dem Pilotprojekt, das die Stadt Garching auf dem Bürgerplatz initiieren soll und privatwirtschaftlichen / ehrenamtlichen Betrieb auf den „übrigen“ öffentlichen Plätzen:
Pilotprojekt der Stadt auf dem Bürgerplatz:
Hier sind u.a. drei Fragen abzuklären:
- Kosten?
Herr Fröhler schätzt die Kosten für die Anschaffung einer entsprechenden Hardware auf dem Bürgerplatz auf ca. 1.500,- €. Die Informationstechnik (IT) der Stadt Garching hat sich eingehend mit der Thematik befasst und bestätigt, dass mit Hardware-Beschaffungen in Höhe von ca. 1.500,- € ein offener W-LAN-Zugang im Bereich des Bürgerplatzes vernünftig zu betreiben wäre.
- Gefährdet ein freies W-LAN im Bereich des Bürgerplatzes in Betreiberschaft der Stadt kommerzielle Angebote Garchinger Unternehmen?
Der Stadtverwaltung liegen keine Informationen vor, dass ein Garchinger Unternehmen im Bereich des Bürgerplatzes einen kommerziellen W-LAN-Zugang betreibt.
- Kann die Stadt Garching im Zuge der „Störerhaftung“ bei möglichen Rechtsverletzungen durch Nutzer des freien W-LAN in Regress gezogen werden?
Die Stadtverwaltung hat dazu eine rechtliche Stellungeinnahme eingeholt, die zusammenfassend das Ergebnis brachte, dass nach der derzeitigen Rechtslage der Betrieb eines offenen W-LAN-Netzes mit erheblichen Haftungsrisiken verbunden ist und aus rechtlicher Sicht nicht empfohlen werden kann. Das Ergebnis wird u.a. wie folgt begründet:
In seiner in diesem Zusammenhang grundlegenden Entscheidung "Sommer unseres Lebens" vom 12.05.2010 (I ZR 121/08, GRUR 2010, 633) hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zu der sog. Störerhaftung eines W-LAN-Inhabers Stellung genommen. Jene Entscheidung betraf Unterlassung- und Schadensersatzansprüche wegen einer Urheberrechtsverletzung, die von Dritten über einen nicht ausreichend gesicherten privaten W-LAN-Anschluss begangen wurde.
Der Bundesgerichtshof hat dort einen Schadensersatzanspruch des Urhebers verneint, weil sich nicht habe nachweisen lassen, dass der W-LAN-Inhaber Täter oder Teilnehmer der Rechtsverletzung gewesen sei und allein die Unterhaltung eines ungesicherten WLAN-Anschlusses noch keine täterschaftliche Haftung unter dem Aspekt der Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht begründe, da diese Handlung selbst noch nicht dem Tatbestand der Urheberrechtsverletzung erfülle. Er hat aber aufgrund einer Störerhaftung einen Unterlassungsanspruch bejaht und dazu ausgeführt, dass der Betrieb eines nicht ausreichend gesicherten W-LAN-Anschlusses adäquat kausal für die begangenen Urheberrechtsverletzungen sei und auch privaten Anschlussinhabern insoweit Prüfungspflichten obliegen.
Der Anschlussinhaber müsse angemessene Sicherungsmaßnahmen ergreifen, um zu verhindern, dass sein Anschluss von außenstehenden Dritten für die Begehung von Rechtsverletzungen missbraucht werde. In jenem Fall hatte es der Anschlussinhaber nach dem Anschluss des W- LAN-Routers bei den werkseitigen Standardeinstellungen belassen und für den Zugang zum Router kein persönliches, ausreichend langes und sicheres Passwort vergeben. Diese Sicherung war für den Bundesgerichtshof unzureichend. Er verlangt, dass auch ein privater W-LAN-Inhaber die jedenfalls im Kaufzeitpunkt des Routers für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungen ihrem Zweck entsprechend einsetzt, wozu nach der Ansicht des Bundesgerichtshofs mindestens die Sicherung durch ein individuelles Passwort gehört.
Die betreffende Entscheidung liegt der Beschlussvorlage als Anlage bei. Eine abweichende Rechtsprechung für einen kommunalen Betreiber eines offenen W-LAN-Netzes existiert derzeit noch nicht. Es ist daher davon auszugehen, dass auch ein von einer Kommune betriebenes W-LAN sich an diesen Kriterien messen lassen muss. Die vom BGH geforderte Verschlüsselung mit einem individuellen Passwort ist mit dem Betrieb eines offenen W-LAN-Hotspots an sich unvereinbar. Der Betreiber eines ungesicherten öffentlichen W-LAN-Netzes würde auf der Grundlage der angeführten BGH-Rechtsprechung für sämtliche Urheberrechtsverletzungen und Verletzungen von anderen absoluten Rechtsgütern auf Unterlassung haften. Die sich daraus ergebenden Haftungsrisiken sind nicht übersehbar; vom Betreiben eines offenen W-LAN-Netzes ist daher aus rechtlicher Sicht abzuraten.
Diese Problematik betrifft im Übrigen sämtliche offenen W-LAN-Netze, wie sie oft auch in Hotels, Cafés oder Gaststätten zu finden sind.
offenes W-LAN-Netz an den „übrigen“ öffentlichen Plätzen in privatrechtlicher / ehrenamtlicher Betreiberschaft:
Hier ist zusätzlich zu den o.g. drei Fragen noch die Frage der Betreiberschaft abzuklären:
- Kosten?
Die Kosten für das Projekt dürften sich im Rahmen halten (Siehe oben, Bürgerplatz). Grundsätzlich müsste abgeklärt werden, für welche Plätze ein offenes W-LAN-Netz gewünscht / sinnvoll sein wird.
- Gefährdet ein freies W-LAN kommerzielle Angebote Garchinger Unternehmen?
Hier kann darauf verwiesen werden, dass im Falle einer privatrechtlichen / ehrenamtlichen Betreiberschaft (z.B. Verein) die Stadt ggf. Gebäude für die Anbringung der Technik zur Verfügung stellt, aber nicht selbst in Konkurrenz zu Garchinger Unternehmen tritt.
- Kann ein privatrechtlicher / ehrenamtlicher Betreiber im Zuge der „Störerhaftung“ bei möglichen Rechtsverletzungen durch Nutzer des freien W-LAN in Regress gezogen werden?
Siehe dazu oben.
- Betreiberschaft?
Die Störerhaftung betrifft auch einen privatrechtlichen / ehrenamtlichen Betreiber und aus dieser Sicht erscheint es fraglich, ob sich ein entsprechender Betreiber finden würde. Diesbezüglich wird zum Beispiel auf die Stadt Potsdam verwiesen, die Bürgern sowie Besuchern der Stadt gestattet, jederzeit ein digitales Glas Wasser zu trinken. Dort ist die Betreiberschaft an Bürgerinitiativen (z.B. Freifunk Potsdam) vergeben, die Beschaffung, Wartung und Installation der Anlagen besorgt. Technisch wird das freie W-LAN per VPN-Verbindung nach Slowenien getunnelt, so der beauftragte Provider die Einspeisung ins Internet übernimmt, da sich in Deutschland kein Provider gefunden hat, der das rechtliche Risiko auf sich nimmt. Kosten für Strom und Router werden in Potsdam von der Stadt getragen.
FAZIT:
Grundsätzlich wäre die Technik für ein offenes W-LAN in Garching finanzierbar, trotz angespannter Haushaltslage. Allerdings wäre doch ein erheblicher personeller und organisatorischer Aufwand notwendig. Falls die Stadt die Errichtung übernehmen würde, wäre dies eine freiwillige Aufgabe.
Aus Sicht der Verwaltung sprechen neben der Rechtslage (Störerhaftung) folgende Gesichtspunkte dagegen, diesen Aufwand zum jetzigen Zeitpunkt zu betreiben:
- Bei der Bürgerversammlung am 26.02.2013 wurde ein Antrag von Herrn Michael Müller-Haerendel auf ein freies und kostenloses W-LAN am Bürgerplatz und Rathausplatz zur Abstimmung gebracht. Die Mehrheit der anwesenden Garchinger Bürgerinnen und Bürger sah dafür keinen Bedarf.
- Die Verbreitung von Smartphones und Tablets nimmt ständig zu, die Verbreitung von Notebooks dagegen eher ab. Smartphones der neuen Generation haben in der Regel Internet über UMTS oder gar LTE (zum Vergleich: Die Geschwindigkeit DSL der Bücherei liegt bei 16.000, die Geschwindigkeit von LTE bei 300.000). Tablets haben mittlerweile eine eigene SIM-Karte und damit die analogen Voraussetzungen oder sie lassen sich über das Handy mit dem Internet verbinden (Thetering). Gerade die von Herrn Fröhler angesprochenen Studenten haben mit der fortschreitenden Technik keine Berührungsängste.
- Die Deutsche Telekom kürzlich eine Mitteilung veröffentlicht, nach der sie die Anzahl ihrer Hotspots von derzeit 12.000 auf 2,5 Millionen im Jahr 2016 ausbauen will. Die Stadtverwaltung ist der Auffassung, dass die großen Provider auch der richtige Ansprechpartner für ein derartiges Projekt in Garching sind und diese Aufgabe nicht von der Stadt übernommen werden sollte. Ggf. kann die Verwaltung versuchen, bei der Deutschen Telekom darauf hinzuwirken, entsprechende Hotspots in Garching einzurichten.
II. BESCHLUSSANTRAG:
- Der Haupt- und Finanzausschuss lehnt den Antrag von Stadtratsmitglied Norbert Fröhler, von Seiten der Stadt als Pilotprojekt für ein offenes W-LAN-Netz in Garching für die Bücherei und auf dem Bürgerplatz aufgrund der Rechtslage bzgl. der Störerhaftung ab.
- Der Haupt- und Finanzausschuss lehnt den Antrag von Stadtratsmitglied Norbert Fröhler, auf Errichtung eines offenen W-LAN-Zuganges auf den weiteren öffentlichen Plätzen in Garching aus den genannten Gründen ab.
Anlagen
Nr. | Name | Original | Status | Größe | |
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1
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öffentlich
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589,3 kB
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