ALLRIS - Vorlage

BESCHLUSSVORLAGE - GB II/434/2018

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Beratungsfolge

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I. Sachvortrag:

Mit Schreiben vom 26.09.2018 hat die Stadt Garching die Anfrage erhalten, ob das Gebiet Römerhofweg 19-25, 27-37, 39-49, 51, 51 a- e in einem städtebaulichen Sanierungsgebiet, Entwicklungsgebiet oder Erhaltungsgebiet liegt.

 

Dies nahm die Verwaltung zum Anlass juristisch prüfen zu lassen, ob es möglich ist, eine Erhaltungssatzung zu erlassen. In der Beschlussvorlage sind die wesentlichen Punkte aus der Stellungnahme des Anwalts zusammengefasst. Die Stellungnahme ist als Anlage beigefügt.

 

Das Wohngebiet am Römerhofweg liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 23 der Stadt Garching. Dieser setzt für den Geltungsbereich ein Allgemeines Wohngebiet fest. Das Maß der baulichen Nutzung lässt eine massive Geschossbebauung zu. Die verdichtete Wohnbebauung im Geschosswohnungsbau wurde im Wesentlichen gemäß den maximal zulässigen Maßen der baulichen Nutzung hergestellt. Die Wohnbebauung wurde als geförderter Wohnungsbau errichtet. Die Sozialbindung für die Wohnungen Römerhofweg 39 - 49 ist zum 31.12.2016 ausgelaufen.

 

Es wurden bereits in der Vergangenheit der Verwaltung Konzepte vorgelegt, die eine neue Bebauungskonzeption für die Gebäude vorsieht. Es steht zu befürchten, dass der Gebäudebestand überarbeitet und zu neuen Konditionen vermietet oder aufgeteilt und verkauft werden könnte.

Es ist zu prüfen, ob mit Mittel des besonderen Städtebaurechts der befürchteten Entwicklung entgegengewirkt werden kann.

 

Milieuschutz nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB

Die städtebaulich nachteiligen Folgen einer Verdrängung der vorhandenen Wohnbevölkerung bestimmen sich nach den konkreten Verhältnissen, so dass jede Art von Wohnbevölkerung schutzwürdig ist, soweit deren Zusammensetzung aus besonderen städtebaulichen Gründen erhalten werden soll (BVerwG 18.6.1997 - 4 C 2.97). Besondere städtebauliche Gründe, die den Erlass einer Satzung nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 rechtfertigen, liegen etwa vor beim Wegfall von stadtnahen preisgünstigem Mietwohnungsbestand in Altbauten, für den preisgünstiger Ersatzwohnraum nicht zur Verfügung steht, sondern an anderer Stelle geschaffen werden müsste, verbunden mit dem Zuzug einkommensstärkerer Bevölkerungskreise, der zu einer Erhöhung eines bislang unterschiedlichen Motorisierungsgrades führt, was Um- und Neubaumaßnahmen ebenso erforderlich macht.

Der Erlass einer Milieuschutzsatzung setzt voraus, dass eine Änderung der Zusammensetzung

der Wohnbevölkerung nachteilige städtebauliche Auswirkungen befürchten lässt, was durch eine Prognose, d. h. eine vorausschauende Beurteilung der Zukunft, zu belegen ist; d. h. hier, ob z. B. Modernisierungsmaßnahmen zu einer Mieterhöhung führen, die über der für das Erhaltungsgebiet ermittelten Durchschnittsmiete liegt, die von den dort Ansässigen nicht mehr getragen werden kann, so dass sie zum Verlassen des Gebiets gezwungen sind.

 

Die Milieuschutzsatzung erfordert zwei Voraussetzungen:

  1. Zusammensetzung der Wohnbevölkerung 

Schutzwürdig ist deshalb ein Gebiet mit grundsätzlich jeder Art von Wohnbevölkerung, soweit deren Zusammensetzung aus besonderen städtebaulichen Gründen erhalten werden soll. Das Gesetz stellt also keine besonderen Anforderungen an die Art der Wohnbevölkerung, deren Zusammensetzung durch eine Erhaltungssatzung nach Nummer 2 gewahrt werden soll.

 

  1. Erhaltung aus besonderen städtebaulichen Gründen

Die vorgefundene Struktur der Wohnbevölkerung kann nur dann Anlass für den Erlass einer Milieuschutzsatzung geben, wenn sie aus besonderen städtebaulichen Gründen erhalten werden soll. Hier sind zwei Aspekte zu unterscheiden:

(aa) die Bewertung der konkreten Sozialstruktur aus städtebaulicher Sicht und – hier liegt deutlich das Schwergewicht der Prüfung – und

(bb) die städtebaulichen Auswirkungen der befürchteten „Verdrängung“ der Wohnbevölkerung.

 

zu (aa)

Die Erhaltungssatzung verleiht der Gemeinde die Befugnis, der Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bevölkerungsstrukturen im besonderen Städtebaurecht zu berücksichtigen. Dies kann auch eine einseitige Bevölkerungsstruktur sein, da gerade die häufig über Jahrzehnte gewachsenen Strukturen in Milieuschutzgebieten in gewissen Hinsichten regelmäßig einseitig sind und dennoch akzeptiert und im Rechtssinne schutzwürdig.

 

Zu (bb)

Größere praktische Bedeutung kommt der Prüfung der städtebaulichen Auswirkungen der befürchteten „Verdrängung“ der Wohnbevölkerung, zu. Aus ihnen müssen sich die besonderen städtebaulichen Gründe ergeben, die den Satzungserlass rechtfertigen.

Ausreichend ist schon das Aufkommen eines sich andeutenden Verdrängungsprozesses;

die Gemeinde muss nicht abwarten, bis sie vor neue städtebauliche Probleme wie z. B. die Notwendigkeit, neuen preiswerten Wohnraum zu schaffen, gestellt ist. Ziel ist, die (erstmalige) Verdrängung zu verhindern, weil aus dieser sich die städtebaulichen Auswirkungen ergeben

können, die die Erhaltungssatzung verhindern soll. Dass nach Wegfall des gebundenen Wohnraums ein Verdrängungsprozess einsetzen könnte ist durchaus zu befürchten, da die Mietzinsen erhöht werden können. Dies allein genügt jedoch nicht, da Ansatzprunkt einer Veränderung nach § 172 Abs. 1 BauGB bauliche Maßnahmen sind. Die bereits vorgestellten baulichen Änderungen an den Bauvorhaben lassen jedoch den Schluss zu, dass im Zuge der Baumaßnahmen auch eine Sanierung erfolgt, die insgesamt zur Verdrängung der derzeitigen Bewohnerstruktur führen könnte.

 

 

 

 

 

 

 

 

Rechtsfolgen einer Milieuschutzsatzung:

Teilungsverbot:

§ 171 Abs. 1 Satz 4 BauGB enthält eine Ermächtigung der Landesregierungen, durch RechtsVO für Grundstücke im Geltungsbereich einer Milieuschutzsatzung nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 zu bestimmen, dass die Begründung von Wohnungs- oder Teileigentum gem. § 1 WEG an Gebäuden, die ganz oder teilweise zu Wohnzwecken bestimmt sind, dürfen nicht ohne Genehmigung erfolgen. § 171 Abs. 1 Satz 4 BauGB sieht für die den Genehmigungsvorbehalt begründende RechtsVO eine regelmäßige Geltungsdauer von 5 Jahren vor. Der Wortlaut des Gesetzes schließt eine Verlängerung der Geltungsdauer der RechtsVO oder deren Neuerlass nach Ablauf ihrer Geltungsdauer nicht aus.

Das Verbot des Abs. 1 Satz 4, Wohnungs- oder Teileigentum ohne Genehmigung zu begründen, gilt nach Abs. 1 Satz 5 als gesetzliches Verfügungsverbot i. S. d. § 135 BGB; d. h. dass die nicht genehmigte Begründung von Wohnungs- oder Teileigentum nur der Gemeinde gegenüber unwirksam ist.

 

Genehmigungspflicht:

Durch die Erhaltungssatzung wird in ihrem Geltungsbereich eine Genehmigungspflicht

für den Rückbau, die Änderung oder Nutzungsänderung baulicher Anlagen begründet. Hier besonders relevant ist das Tatbestandsmerkmal der Änderung einer baulichen Anlage (Umbau, Ausbau, Erweiterung bestehender Anlagen). Der Begriff der Änderung setzt voraus, dass die innere oder äußere Bausubstanz der Anlage berührt wird. Bauliche Maßnahmen an der Außenhülle des Gebäudes sind auch der Austausch von Türen, die Anbringung einer Wärmedämmung an den Außenwänden und der Austausch der Fenster bzw. Verglasung. Veränderungen der Innenausstattung einer Wohnung ohne bauliche Änderungen werden nicht erfasst.

 

Besonderheiten der Genehmigungserteilung bei der Milieuschutzsatzung

1.In der Praxis besteht der häufigste Anwendungsfall des § 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB bei Maßnahmen, die - wie bauliche Maßnahmen zur Modernisierung des Wohnraums in älteren Gebäuden - zur baulichen Aufwertung durchgeführt werden sollen. In Betracht kommen hier der Einbau von Bädern, Toiletten und Zentralheizungen, der Einbau einer Loggia bzw. der Anbau eines Balkons oder auch der Einbau neuer Fenster bzw. Änderung der Wohnfläche durch Errichten oder Beseitigen von Trennwänden.

 

 

2.Als Anhaltspunkt für die Gefahr einer Verdrängung der Wohnbevölkerung können Durchschnittswerte für Höchstmieten als sog. gebietsspezifische Höchstbelastungswerte dienen, deren Überschreitung bzw. Einhaltung für die Erteilung bzw. Versagung von Genehmigungen herangezogen werden können.

 

3.Anhaltspunkt für die Begründung einer Verdrängungsgefahr kann ebenfalls sein, ob es sich bei einer Modernisierungsmaßnahme um eine sog. Luxusmodernisierung oder um eine Standardmodernisierung handelt.

 

4.Auch die Begründung von Wohnungs- und Teileigentum steht regelmäßig in Widerspruch zu den Zielen einer Milieuschutzsatzung. Die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen ist infolge ihrer Vorbildwirkung regelmäßig geeignet, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu gefährden.

 

Für die nach § 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB zu treffende Entscheidung ist lediglich darauf abzustellen, ob die Baumaßnahme generell geeignet ist, infolge ihrer Vorbildwirkung eine Entwicklung in Gang zu setzen, die tendenziell die Verdrängung der vorhandenen Wohnbevölkerung nach sich zieht.

 

Milieuschutzsatzung - Bestimmtheit

Unabhängig von der Wahl der Rechtsform muss das Erhaltungsgebiet genau und eindeutig festgelegt werden. Die Begrenzung des Erhaltungsgebiets soll so vorgenommen werden, dass das Schutzziel in wesentlichen Teilen des Gebiets erreicht werden kann.

Ebenso sind die Erhaltungsziele bzw. Festlegungsgründe mit hinreichender Bestimmtheit anzugeben, also ob es sich um eine Erhaltungssatzung nach Nr. 1, 2 oder Nr. 3 handelt.

 

Abwägung

Mit der Festlegung eines Erhaltungsgebietes wird somit zunächst nur flächenbezogen die Erhaltungswürdigkeit eines Gebietes festgestellt, wodurch bauliche Veränderungen einem Genehmigungsvorbehalt unterworfen werden. Ob allerdings der Genehmigungsvorbehalt der Realisierung eines konkreten Vorhabens entgegensteht, ist erst im Rahmen der Prüfung und Bescheidung eines nachfolgenden Genehmigungsantrages zu prüfen.

 

Begründung:

Wenngleich die Gemeinde bei Festlegung eines Erhaltungsgebietes nicht ausdrücklich zur Durchführung vorbereitender Untersuchungen verpflichtet ist, empfiehlt es sich insbesondere auch für den späteren Vollzug und für eine etwaige gerichtliche Überprüfung, derartige Ermittlungen vorzunehmen und zu dokumentieren.

 

Geltungsdauer

In regelmäßigen Abständen nach Erlass der Satzung sollte die Gemeinde prüfen, ob die tatsächlichen Verhältnisse die Aufrechterhaltung der Satzung rechtfertigen. Stichproben oder  Plausibilitätskontrollen durch Auswertung vorhandener Daten genügen. Ergeben sie ein deutliches Bild des Wandels in der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung, sind neue Erhebungen

durchzuführen.

 

Sicherungsinstrument

Zur Sicherstellung der in § 172 Abs. 1 BauGB definierten Erhaltungsziele und zur Verhinderung von Vorhaben, die der Realisierung der Erhaltungsziele entgegenstehen, eröffnet Abs. 2 die Möglichkeit zur befristeten Zurückstellung von Vorhaben auf Antrag der Gemeinde.

 

Zur Vorbereitung des Erlasses einer Erhaltungssatzung in der Form der Milieuschutzsatzung sind folgende Punkte zu dokumentieren:

1.die vorhandene Bevölkerungsstruktur zu dokumentieren

2.die Tatsachen, die eine Änderung der Bevölkerungsstruktur nahelegen, zu dokumentieren

3.die Wohnraumversorgungssituation für entsprechende Bevölkerungskreise, innerhalb

4.der Stadt zu dokumentieren

5.eine Prognose über die städtebaulichen Auswirkungen einer Verdrängung der

6.vorhandenen Bevölkerungsstruktur aus dem Gebiet zu stellen

7.die städtebaulichen Zielsetzungen für das Gebiet durch den Bebauungsplan zu dokumentieren

8.unter Zugrundelegung der obigen Gesichtspunkte eine Erhaltungssatzung für das Gebiet vom               Stadtrat beschließen lassen.

 

 

 

 

 

 

 

Die Verwaltung hat in Vorbereitung einer möglichen Milieuschutzsatzung folgende Daten zusammengestellt, die ein schutzwürdiges Interesse der Mieter dokumentieren können:

 

Bestand an Sozialmieten und Auslauf der Bindungen - Stichtag 31.02.2016

 

Datum der Förderung

Straßen, Nr.

Zahl der geförderten Wohnungen

Whg.-Typ

Zahl der aktuell noch gebundenen Wohnungen

Bindungsende der nicht eigengenutzten Wohnungen

25.10.1971

Römerhofweg 39 – 49

102

1

102

31.12.2016

30.04.1973

Römerhofweg 27, 37

84

1

84

31.12.2016

 

 

Im Römerhofweg 19 - 51 E sind insgesamt 914 Personen gemeldet. Davon haben 563 die deutsche Staatsbürgerschaft und 351 Personen eine andere Staatsangehörigkeit.

 

Bevölkerungsstruktur / Familienstand:

Ledig

435 davon 178 Minderjährige

Verheiratet

390

Verwitwet

32

Geschieden

57

 

Sozialleistungen

Im Römerhofweg 19 - 51 e gibt es 45 Haushalte, die Sozialleistungen wie SGB II (Hartz 4), SGB XII (Sozialhilfe) oder Wohngeld erhalten.

Die Gesamtanzahl der Empfänger, um das Verhältnis sehen zu können, ist beim LRA angefragt.

 

Kinderbetreuung:

Für das lfd. Betreuungsjahr sind bei der Verwaltung für 4 Kinder im Komplex Römerhofweg ein Antrag auf Beitragsbezuschussung Kindergarten/ Hort gestellt worden (teilweise auch bereits bewilligt). In den  zurückliegenden Jahren waren dies durchschnittlich immer 7 Kinder aus dem Wohngebiet, die auf Grund der Einkommenssituation der Eltern Unterstützung durch staatl. Zuschüsse beantragten haben. Der Mittelwert aller Familien, die Kostenübernahmeanträge stellen (wohnhaft im gesamten Ortsgebiet) ist 30.

 

 

Als Anlage ist der Geltungsbereich für die Erhaltungssatzung in der Form der Milieuschutzsatzung beigefügt.


 

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II. BESCHLUSS:

Die Verwaltung wird beauftragt, die Erhaltungssatzung in der Form der Milieuschutzsatzung zu erarbeiten und zur Entscheidung vorzulegen.

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Anlagen

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