ALLRIS - Vorlage

BESCHLUSSVORLAGE - 2-UMA/102/2020

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Beratungsfolge

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I. Sachvortrag:

 

1)      Antrag der SPD-Fraktion

 

Die SPD-Fraktion stellte am 29.11.2020 folgenden Antrag:

 

„Die Stadt beschließt ein Nachhaltiges Nachpflanzkonzept für zu fällende Bäume unter Berücksichtigung des ökologischen Werts und Einbindung der interessierten Bevölkerung“.

 

Die Begründung zu diesem Antrag ist dem Verweisungsbeschluss für die Stadtratssitzung am 09.12.2020 zu entnehmen, die allerdings aus gegebenen Anlass entfallen musste.

 

Der Antrag der SPD-Fraktion erhielt folgende Beschlusspunkte:

 

1. Nachpflanzungen an anderer Stelle, als an der ursprünglichen, erfolgen in der Regel zusätzlich zur Ersatzpflanzung an alter Stelle.

2. Im ganzen Garchinger Stadtgebiet sollen Plätze ermittelt werden, die für eine Pflanzung von Bäumen geeignet sind, die das Potential für ein gutes Höhen- und Wurzelwachstum haben und eine langfristige Perspektive bieten. Diese Plätze sollen dokumentiert werden.

3. Art und Anzahl (!) der nachzupflanzenden Bäume sollen sich an Höhe, Umfang der Krone, Stammdurchmesser des entnommenen Baumes usw. orientieren. Die Kriterien sollen nachvollziehbar sein. Natürlich wird es nicht möglich sein sofort eine Äquivalenz herzustellen. Es soll aber definiert werden, wann die Nachpflanzungen das voraussichtlich erreichen können.

4. Die Auswahl der Bäume soll sich auch an deren Resistenz gegenüber den Folgen des Klimawandels orientieren z.B. Resistenz gegen Trockenheit und erhöhter Windlast.

5. Baumpatenschaften, wie sie bereits im Bürgerpark Anwendung fanden, werden auf diese Nachpflanzungen ausgedehnt. Die Verwaltung kommuniziert immer rechtzeitig, wann und wo es zu Nachpflanzungen kommen soll, und wirbt aktiv um Baumpaten.

 

2)      Veranlassung

 

In Garching verursacht neben offensichtlich abgestorbenen Bäumen eine ganze Palette von Maßnahmen Baumfällungen, die in der Bevölkerung häufig auf Unverständnis stoßen, soweit man selbst nicht davon betroffen ist. Schäden an solchen Bäumen sind auch auf Anhieb nicht oder erst nach Jahren zu erkennen.

Diese sind:

  • Bauvorhaben
  • Leitungsverlegungen
  • Wurzelaufwürfe im Straßenraum
  • Gefährdung durch Wind- und Schneebruch
  • Irreparable Dürreschäden
  • Ungenügende Standsicherheit durch Wurzelschäden
  • Schäden durch Wild
  • Baumkrankheiten und Schädlingsbefall (z.T. durch klimatische Veränderungen)
  • Freistellung von vitalen Einzelbäumen (zu dichter Baumbestand, Beseitigung der „Bedränger“)

 

Diese Schäden und Vorhaben führen im Stadtgebiet aus Verkehrssicherheitsgründen zu einer starken Reduzierung des Altbaumbestandes. Durch die so entstandenen Lücken und die Überalterung der Baumbestände sollte über einen Generationswechsel im Straßenbaumbestand zumindest nachgedacht werden. In diesem Zusammenhang wird der öffentlichen Hand immer wieder Planlosigkeit und mangelnde Weitsicht vorgeworfen, zumal unterirdische Leitungsbestände Neu- und Nachpflanzungen häufig verhindern. Ein Nachhaltiges Nachpflanzungskonzept, wie es hier in diesem Antrag gefordert wird, oder ein weitreichenderes „Straßenbaumentwicklungskonzept (SBEK) kann den Bestand an Straßenbäumen langfristig sichern und bietet zudem die Möglichkeit, in der öffentlichen Diskussion sachlich zu argumentieren und Maßnahmen transparent und nachvollziehbar zu machen.

 

Aus derartigen Planungen können die Fachämter darüber hinaus mit Hilfe langfristiger Pflegekonzepte einen zeitlichen Rahmen zum Erhalt oder der Erneuerung der Straßenbäume an konkreten Objekten ableiten. Große Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Optimierung der Pflanzstandorte zu, um unseren Straßenbäumen langfristig bessere Lebensbedingungen und somit eine bessere Vitalität zu ermöglichen. Ungeeignete Arten und Sorten können langfristig durch geeignete ersetzt und die Artenvielfalt erhöht werden. Neuartige Krankheiten und Schädlinge finden dabei ebenso Berücksichtigung wie Habitus, Salzverträglichkeit, klimatische Veränderungen, Funktionalität u. v. a. m. Auch die Sicherung künftiger Pflanzstandorte durch die Optimierung perspektivischer Bauvorhaben kann im Rahmen eines Straßenbaumentwicklungskonzepts Berücksichtigung finden. Die Erstellung eines fundierten Entwicklungskonzeptes ist jedoch sehr aufwändig und kann im Rahmen dieses Antrags (noch) nicht erstellt werden. Ein „nachhaltiges Entwicklungskonzept für zu fällende Bäume“ wäre Teil eines solchen Straßenbaumentwicklungskonzeptes. Der Anlass dafür ist aber in der Regel derselbe:

 

  • Durch die Zunahme von Krankheiten und Schädlingen, bedingt durch klimatische Veränderungen und durch die Zunahme von Extremereignissen, steigt die Gefahr der Schädigung des Baumbestandes.
  • Vorwiegend wurden in der Vergangenheit heimische Baumarten verwendet, ein Großteil besteht aus Linde und Ahorn. Die Pflanzenverwendung muss den Stresssituationen in der Stadt angepasst werden. Hier gibt die jährlich aktualisierte GALK-Straßenbaumliste (siehe Anhang 1) geprüfte Anhaltspunkte, welche Baumarten mehr oder weniger geeignet sind.
  • Die Ergebnisse aus der regelmäßig durchgeführten Vitalitätserhebung (Baumkontrollen) bescheinigen einen z.T. bedenklichen Vitalitätszustand der Stadtbäume.
  • durch Ausbau von Straßen, durch Leitungsverlegungen und andere Bauvorhaben sind immer mehr Bäume gefährdet.
  • Nachpflanzungen lassen sich oft schwer durchführen (Abstand zu Leitungen, Gehwegbreite, Einbauten etc.), ein Konzept sollte daher Vorgaben, Alternativen und Lösungsansätze aufzeigen.

 

3)      Der Begriff „Altbaum“

 

Beim Begriff "Altbaum" muss eine klare Grenze zwischen Straßenbäumen und Waldbäumen getroffen werden.

 

Altbäume in Waldstrukturen werden ihrem natürlichen Verfall überlassen und dies kann aus verkehrssicherungsgründen im Straßenraum nicht zugelassen werden. "Altbäume sind i. d. R. älter als 150 Jahre und werden durch baumartenspezifische Mindest- BHD (BHD = Brusthöhendurchmesser) definiert. Die Mindest-BHD werden durch die Länder unter Beachtung der naturräumlichen und standörtlichen Gegebenheiten differenziert festgelegt. Nachfolgend sind Richtwerte für Altbäume auf gutwüchsigen Standorten zusammengestellt:

  • Buche, Eiche, Edellaubholz, Pappel BHD > 80 cm
  • Andere Baumarten BHD > 40 cm (www.bfn.de (Stand 18.12.2020)

 

Diese Angaben dürfen nicht auf Straßen- oder Parkbäume angewendet werden. Hier sind andere Gegebenheiten vorzufinden. Von der Aufzucht im breiten Pflanzverband in der Baumschule bis hin zur Düngung und Wässerung im endgültigen Baumstandort. Waldbäume werden in hoher Anzahl mit einer Höhe von 50-80 cm gepflanzt und dort heißt es dann, der stärkste überlebt. Daher sind die Stammdurchmesser aufgrund des langsameren Wachstums nicht zu vergleichen.

Bei Altbäumen im Straßenraum sollten somit andere Grenzwerte definiert werden. 100-jährige Bäume, die im Stadtgebiet vorhanden sind, werden definitiv als Altbäume bezeichnet. Hier wären als Beispiel die zwei Kastanien im abgesenkten Baumstandort am Bürgerplatz oder der Baumbestand in der Lindenallee zu nennen, soweit diese tatsächlich an die hundert Jahre alt sind. Für den Erhalt dieser besonderen Bäume werden von der Verwaltung keinen Kosten gescheut.

Leider zeigt sich immer mehr der Trend, dass aufgrund der klimatischen Veränderung, des Platzmangels, der hohen Verdichtung und der negativen Stoffeinbringung die Standdauer für Bäume im Straßenraum immer geringer wird. Häufig ist daher leider zu beobachten, dass unsere Straßenbäume 30 Jahre an Standort nicht überleben. Unter folgendem Link wird beschrieben, dass Bäume, die 40 Jahre an einem Standort im städtisch bebauten Bereich als Altbäume festzusetzen wären (vital, gesund). Hier müssen Parkbäume ausgeklammert werden, da dort die Standortbedingungen um ein vielfaches besser sind. (https://www.galk.de/startseite/altbaeume-sind-unsere-klimaspezialisten)

Um diese terminologischen Unklarheiten zu umgehen, schlägt die Verwaltung vor, anstelle des Begriffs „Altbäume“ den Begriff „ortbildprägende“ oder „Ortbildbestimmende Bäume“ zu verwenden.

 

4)      Zu den Beschlusspunkten

 

Bei einem Nachpflanzkonzept ließen sich folgende, z.T. allgemeine Ziele auch für Garching formulieren:

  • Schaffung von Vorgaben hinsichtlich lokaler Einordnung und Arteneignung von Straßenbäumen
  • Verwendung neuer Baumarten im städtischen Straßenraum zur besseren Artendurchmischung in der Stadt und Risikoverteilung bezüglich Krankheiten und Schädlingen
  • Baumalleen sollten künftig nicht durch eine Baumart gekennzeichnet sein, sondern mit unterschiedlichen Baumarten bepflanzt werden. Dies minimiert die Anfälligkeit durch Schädlinge und Krankheiten
  • Verwendung von klimatisch angepassten, auch nicht-heimischen Baumarten
  • Förderung der Akzeptanz neuer Baumarten bei der Bevölkerung
  • Bei möglichen Ersatzpflanzungen muss die Baumartenwahl dem vorhandenen, zur Verfügung stehenden Pflanzraum angepasst werden
  • Ausweisung ausreichend dimensionierter Pflanzflächen im Straßenraum bei künftigen Bauvorhaben

 

Bei der Erreichung dieser Ziele sollte aber folgendes noch beachtet werden.

 

1) Leider sind Ersatzpflanzungen an Ort und Stelle nicht immer möglich. Eine Ersatzpflanzung in einen ungeeigneten vormaligen Baumstandort – nur um nominell hier einen Ausgleich zu schaffen – kann nicht empfohlen werden. Die Ersatzpflanzung ist dann an einem anderen Standort vorzunehmen.

2. Es können im Straßenraum nur Bäume bis zur Wuchsklasse 2. Ordnung gepflanzt werden (Höhe bis 20 m), da dort der Platzbedarf für das Wurzelwerk nicht gegeben ist. Dies sind auch die Gründe, weshalb z.B. die stattlichen Platanen, die in den zu klein dimensionierten Standorten gepflanzt wurden, nun aufgrund der Wurzelaufwürfe entfernt werden müssen. Es ist definitiv davon abzuraten, hier dieselbe Baumart erneut zu pflanzen.

3. Diejenigen Baumstandorte, die das Potenzial für ein ausreichendes Höhen- und Wurzelwachstum von stattlichen Baumarten (Wuchsklasse 1. Ordnung) aufweisen, können nur in Parkanlagen gewährleistet werden.

4. Ortsbildprägende Bäume sollten - ggf. auch per Satzung - besonders geschützt werden und durch Ersatzpflanzungen in jedem Fall ausgeglichen werden.-Um die Ökobilanz zu bewahren und beizubehalten sollte der Ausgleich durch die Pflanzung mehrerer geeigneter Baumarten gewahrt werden. Die Stadtverwaltung hat bereits im Jahr 2008 eine Liste und Fotodokumentation solcher ortsbildprägender Bäume vorgenommen. Dabei stand 2008 die Erfassung von Bäumen auf nicht städtischen Grundstücken im Vordergrund, um eine Alternative zu einer Baumschutzverordnung zu bieten. Eine solche Erfassung könnte auf städtische Bäume ausgedehnt und diese als ortsbildprägend in einer Satzung oder Verordnung geschützt werden.

5. Gerne können Baumpatenschaften auch im Straßenraum angeboten werden. Hier werden bestimmte Bedingungen für die Patenschaft festgelegt. Zum Beispiel dürfen keine Baumpflegemaßnahmen von den jeweiligen Paten selbst durchgeführt werden, der Baum wird Eigentum der Stadt. Für die Baumpaten sollen umgekehrt keine Pflegekosten und kein Pflegeaufwand anfallen. Baumplaketten mit Widmung des jeweiligen Paten wie im Bürgerpark sollte es für Bäume im Straßenraum nicht geben da hier der „Öffentliche Charakter“ mehr gewahrt werden sollte. Die Baumpaten bekommen stattdessen eine Urkunde von ihrem Baum mit Standort und einen diesbezüglichen Vermerk im  Baumkataster. Da i.d.R. jährlich Ersatzpflanzungen vorgenommen werden müssen, können sich durchaus Baumpaten dafür bewerben. In welcher Form und wann dies veröffentlicht bzw. beworben werden kann muss noch mit der Geschäftsleitung/ Öffentlichkeitsarbeit abgeklärt werden.

 

5)      Einbindung der interessierten Bevölkerung

 

Generell ist eine Einbindung der interessierten Bevölkerung im Rahmen von Bauvorhaben und der Ausweisung und Gestaltung von Neubaugebieten möglich. Hier hat jeder Bürger das Recht, seine Einwendungen und Vorschläge einzubringen, die im Rahmen des Bauleitplanverfahrens gewürdigt werden müssen.

 

Eine Einbindung der interessierten Bevölkerung als Gebot bei jeder Nachpflanzung von Bäumen betrachtet die Verwaltung eher mit Skepsis. Zum einen ist nicht jeder interessierte Bürger auch weitgehend Fachmann genug, die Auswirkungen einer Nachpflanzung mit seiner favorisierten Baumartenwahl abschätzen zu können.

Zum anderen ergibt sich dadurch für die zuständigen Verantwortlichen in der Verwaltung ein zusätzlicher nicht unerheblicher Verwaltungsaufwand bis hin zur Blockierung notwendiger und schnell zu realisierender Entscheidungen, welcher Baum warum an welcher Stelle gepflanzt werden muss oder soll. Bei einem Beschluss für ein Nachpflanzkonzept unter voller Berücksichtigung der zuvor dargelegten Parameter ergäbe sich zudem wenig Spielraum und eine eingeschränkte Entscheidungsmöglichkeit für die nachzupflanzenden Bäume.

Die Einbindung der interessierten Bevölkerung sieht die Verwaltung durch die Einbindung der Stadträte in die Entscheidungsfindung als gewährleistet.

 

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II. BESCHLUSS:

 

Dem Antrag der SPD-Fraktion für ein nachhaltiges Nachpflanzungskonzept bei zu fällenden Bäumen kann weitgehend zugestimmt werden.

 

Eine zwingende Einbindung der interessierten Bevölkerung als Gebot ist im Rahmen eines solchen Konzeptes abzulehnen.

 

 

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Anlagen

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