BESCHLUSSVORLAGE - 3-BS/077/2023
Grunddaten
- Betreff:
-
Vorstellung der Bedarfsplanung im Kinderbetreuungsbereich bis 2030
- Status:
- öffentlich (Vorlage freigegeben)
- Vorlageart:
- BESCHLUSSVORLAGE
- Geschäftsbereich:
- Bildung und Soziales
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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●
Erledigt
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Stadtrat
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Kenntnisnahme
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23.03.2023
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I. Sachvortrag:
- Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz
Seit 1. August 2013 besteht für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr ein Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege (§ 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII; Art. 1 Nr. 7 Kinderförderungsgesetz – KiföG). Dieser richtet sich gem. § 85 Abs. 1 SGB VIII gegen den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe. In Bayern sind dies die Landkreise und kreisfreien Städte. Neben dem Recht der Personensorgeberechtigten auf die Zuweisung eines bereits vorhandenen Platzes beinhaltet der Rechtsanspruch auch die Verpflichtung der Kommunen ggf. ein quantitativ und qualitativ deckendes Angebot zu schaffen. Scheitert die Platzvermittlung innerhalb von drei Monaten und können die Erziehungsberechtigten ihren Primäranspruch nicht durchsetzen, kommen als Sekundäransprüche ein Aufwendungsersatzanspruch sowie ein Schadensersatzanspruch in Betracht.
Ab August 2026 wird der Rechtsanspruch auf die Ganztagesbetreuung von Grundschulkindern ausgedehnt. Begonnen wird mit den Kindern der ersten Jahrgangsstufe, in den Folgejahren erfolgt eine Ausweitung um je eine Klassenstufe. Damit hat ab August 2029 jedes Grundschulkind einen Anspruch auf ganztägige Betreuung. Der Rechtsanspruch wird im SGB VIII geregelt und sieht einen Betreuungsumfang von 8 Stunden an allen fünf Werktagen vor und gilt (bis auf max. vier Wochen) auch in den Ferien.
- Standortanalyse und Bestandaufnahme
In Garching stehen für das Betreuungsjahr 2023/24 aktuell folgende Betreuungsmöglichkeiten zur Verfügung:
- 19 Kinderkrippen, Kindergärten (altersgeöffnet und integrativ), Horte und Häuser für Kinder
- 1 gebundene Ganztagesschule, 1 offene Ganztagesklasse und 2 Mittagsbetreuungen
- 1 Projekt Tagespflege, 2 Großtagespflege und selbständige Tagesmütter
- 1 heilpädagogische Tagesstätte und 3 Projekte Junge Integration (an allen 3 Grundschulen)
Hinweis!
Momentan wird von einer Schließung der Wichtelakademie und damit von einem Wegfall der dortigen Plätze ausgegangen.
- Grundlagen der Bedarfsberechnung
Die Berechnung des Bedarfs an Betreuungsplätzen erfolgt in drei Altersgruppen:
- U3 Bereich (Krippe, Haus für Kinder, Großtagespflege, Tagespflege)
- Ü3 Bereich (Kindergarten, Haus für Kinder)
- Grundschulalter (Hort, Mittagsbetreuung, Ganztag, OGS)
Zugrunde gelegt werden für den Platzbedarf die für das kommende Betreuungsjahr vorliegenden Anmeldungen im digitalen Anmeldesystem LittleBird sowie für die vorhandenen Kapazitäten die voraussichtlich freiwerdenden Plätze. Beides sind keine finalen Zahlenwerte, weshalb sich Entwicklungen des Bedarfs in beide Richtungen ergeben können.
- Übersicht Bedarfsberechnung Herbst 2023 (alle Altersstufen)
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| U3 | Ü3 inkl. Hochbrück | Sprengel Ost | Sprengel West | Sprengel Hochbrück |
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Platzbedarf | 117 | 189 | 67 | 60 | 6 | gemeldeter Platzbedarf = Anmeldungen Little Bird |
Wichtel Akademie | 18 | 15 |
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| Garchinger Kinder in Wichtelakademie |
Platzbedarf gesamt | 135 | 204 | 67 | 60 | 6 |
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Kapazitäten | 65 | 175 | 34 | 28 | 3 | frei werdende Plätze |
Ergebnis | -70 | -29 | -33 | -32 | -3 |
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In der Zusammenschau muss davon ausgegangen werden, dass in keiner der drei Altersgruppen der Bedarf an Betreuungsplätzen gedeckt werden kann.
- Hinweise zur Bedarfsberechnung Herbst 2023
Altersgruppe U3
Auch wenn der Mangel im U3 Bereich zahlenmäßig am größten ist, hat sich gezeigt, dass die Personensorgeberechtigten hier trotz des Rechtsanspruchs noch etwas flexibler sind. Es wird öfter eine Kompromisslösung (z.B. Platzsplitting) eingegangen, auf familiäre Ressourcen zurückgegriffen und/oder die Elternzeit wird ggf. verlängert bzw. die Arbeitszeit reduziert. Trotzdem muss hier mit 70 fehlenden Plätzen ein gravierender Mangel festgestellt werden.
Altersgruppe Ü3
Im Ü3 Bereich schlagen 29 fehlende Plätze zu Buche, obwohl bereits eine Aufstockung des Platzangebots im Schulkindergarten um 100 Prozent eingerechnet ist. In der Regel können die Personensorgeberechtigen in dieser Altersgruppe nicht mehr flexibel reagieren, da die Elternzeit endet und zugleich die wenigsten ein fehlendes Einkommen kompensieren können. Damit ist die Rückkehr in den Job nahezu unausweichlich. Es ist für Herbst 2023 unwahrscheinlich, dass Angebot und Nachfrage an Betreuungsplätzen zur Deckung gebracht werden können und der Rechtsanspruch für alle Eltern erfüllt werden kann. Ein wichtiger Punkt: Der Mangel speist sich insbesondere auch aus dem Fachkräftemangel. In mehreren Einrichtungen kann das komplette Platzkontingent nicht ausgeschöpft werden, weil Personalstellen unbesetzt sind.
Grundschulalter
In dieser Altersgruppe stellt sich die Situation ähnlich dar wie im Ü3 Bereich, jedoch mit dem Unterschied, dass hier noch kein Rechtsanspruch gegeben ist. Mit 33 fehlenden Plätzen im Sprengel Ost und 32 fehlenden Plätzen im Sprengel West ist ein deutliches Defizit erkennbar. Auch in Hochbrück kann nur die Hälfte des angekündigten Bedarfs gedeckt werden. Dies stellt die Personensorgeberechtigten, die ihr Familien- und Berufsleben bislang auf der Grundlage eines Betreuungsplatzes im Ü3 Bereich geplant haben, vor große Herausforderungen. Flexibilität ist in einigen Fällen ggf. durch mobiles oder hybrides Arbeiten möglich.
- Maßnahmen
Alle Altersgruppen
Unter Trägerschaft der Nachbarschaftshilfe e.V. könnten evtl. zwei neue Großtagespflegen mit jeweils 10 Plätzen entstehen (ehemaliges VHS-Gebäude und Königsgarten). Die Stadtverwaltung prüft aktuell die baulichen Voraussetzungen, die Nachbarschaftshilfe e.V. die Personalabdeckung. Vorteil der Großtagespflege ist, dass die gesetzlichen Mindeststandards und Auflagen der Aufsichtsbehörde in einem geringeren Umfang als bei einer klassischen Kinderkrippe bestehen und eine Einrichtung in allen drei Altersgruppen grundsätzlich möglich ist. Die Erfahrungen mit der Großtagespflege zeigen eine hohe Akzeptanz seitens der Elternschaft, denn hier können- anders als in den meisten Kinderkrippen- nur tageweise Plätze angeboten werden (Platzsplitting). Die Betreuung durch geschulte Tagesmütter findet im Rahmen vergleichbarer qualitativer pädagogischer Standards statt.
U3/Ü3
Aktuell prüft die Stadt Garching auch weiterhin die Übernahme der Trägerschaft der bisherigen Wichtelakademie. Mit einer finalen Entscheidung ist innerhalb der nächsten Wochen zu rechnen.
Angedacht ist außerdem eine Containerlösung im Osten Garchings mit zwei Gruppen. Auch hier läuft gerade die Prüfung der Umsetzungsmöglichkeiten, insbesondere die Beschaffung von Containern bzw. die Realisierung der personellen Ausstattung.
Weiter finden Gespräche mit privaten und nicht-städtischen Trägern statt, um zusätzliche Plätze zu generieren, z.B. indem nicht belegte Plätze zur Verfügung gestellt werden. Allerdings ist hierbei der Personalmangel der begrenzende Faktor.
Grundschulalter
Die Stadtverwaltung richtet den Blick zunächst auf die Altersklassen, die bereits einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz haben (U3/Ü3). In der Altersgruppe der Schulkinder laufen bereits Maßnahmen zur Erhöhung des Platzkontingents.
Durch den Neubau West werden ab dem Betreuungsjahr 2024/25 30 bis 50 weitere Plätze in der Mittagsbetreuung West zur Verfügung stehen.
Der Hort West wird mit dem Hort Kinderinsel fusionieren. Dies eröffnet eine Aufstockung um 15 Plätze. Zudem könnten ggf. die Räumlichkeiten der Kinderinsel (Container) für eine weitere Betreuungseinrichtung verwendet werden. Die Stadtverwaltung prüft dies.
Grundsätzlich vertritt die Stadtverwaltung die Ansicht, dass in der Altersgruppe der Grundschulkinder auch die Schulen ihren Beitrag für die Erfüllung des Betreuungsbedarfs leisten müssen, z.B. durch Einrichtung von Ganztagesklassen und die Bereitschaft schulische Räumlichkeiten zur Nutzung durch die Nachmittagsbetreuung freizugeben. Selbstverständlich bietet die Stadtverwaltung hierbei Unterstützung an.
- Fazit für das Betreuungsjahr 2023/24
Eine endgültige Aussage über den Grad der Versorgung mit Betreuungsplätzen im Herbst 2023 kann voraussichtlich erst im Frühsommer erfolgen, wenn
- eine Entscheidung in Sachen Wichtelakademie gefallen ist.
- die Umsetzung der oben beschriebenen kurzfristigen Maßnahmen geprüft wurde.
- der Prozess der Schulanmeldung vollständig abgeschlossen ist.
- ersichtlich ist, ob zusätzliches Personal gewonnen werden kann.
Auch wenn aktuell ein beträchtliches Defizit in allen Altersklassen erkennbar ist, ist die Stadtverwaltung optimistisch die oben beschriebenen kurzfristigen Maßnahmen erfolgreich umsetzen zu können.
Langfristig sind weitere Maßnahmen zu Beschaffung von Betreuungsplätzen geboten, an denen bereits gearbeitet wird (vgl. Zahlen und Diagramme zu den Bedarfen in den Jahren 2024 bis 2030). Dabei muss im Auge behalten werden, wann Neubaugebiete bezugsfertig werden.
- Prognose zum Betreuungsbedarf 2024 bis 2030
Die Prognosewerte beruhen auf den Geburtenzahlen des Einwohnermeldeamtes, die mit Hilfe eines statistischen Wertes der Bertelsmann-Stiftung fortgeschrieben werden. Hinzu kommt noch ein statistisches Mittel von Wanderungswerten, die ebenfalls von der Bertelsmann-Stiftung zur Verfügung gestellt wurden.
Den größten Anteil machen die geplanten Bauvorhaben der Stadt Garching aus, die in den Jahren 2025 bis 2029 umgesetzt werden sollen. Der daraus resultierende prognostizierte Anstieg der Zuzüge an Familien ist verantwortlich für den starken Anstieg des Bedarfs vor allem in den Jahren 2026 und 2028.
Hinweis!
Selbst bei nicht erfolgter Umsetzung der Bauvorhaben würde der Bedarf das vorhandene Platzkontingent voraussichtlich übersteigen, da dennoch mit einem Anstieg der Geburtenzahlen und der Zuwanderungen zu rechnen ist.
Bei den Kapazitäten ist zu unterscheiden zwischen den Plätzen, die laut der Betriebserlaubnisse zur Verfügung stehen (max) und Plätzen, die tatsächlich belegt werden können (real; Minderung z.B. aufgrund von Personalmangel, Platzmangel, integrative Betreuung, …)
U3
Prognose U3 |
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| 2024 | 2025 | 2026 | 2027 | 2028 | 2029 | 2030 | |||||||
Platzbedarf 1-2 Jährige | 220 | 225 | 273 | 295 | 314 | 301 | 274 | |||||||
Platzbedarf 3-Jährige | 10 | 10 | 12 | 12 | 15 | 16 | 14 | |||||||
Summe Platzbedarf | 230 | 235 | 285 | 307 | 329 | 317 | 288 | |||||||
Kapazitäten (max) | 207 | 207 | 207 | 207 | 207 | 207 | 207 | |||||||
Kapazitäten (real) | 185 | 185 | 185 | 185 | 185 | 185 | 185 | |||||||
Fehlende Plätze min bis real | 23 bis 45 | 45 bis 50 | 78 bis 122 | 100 bis 122 | 122 bis 144 | 110 bis 132 | 81 bis 103 | |||||||
Ü3
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Prognose Ü3
| 2024 | 2025 | 2026 | 2027 | 2028 | 2029 | 2030 |
Platzbedarf 2-Jährige | 7 | 7 | 9 | 10 | 11 | 10 | 10 |
Platzbedarf 3-5 Jährige | 463 | 479 | 553 | 586 | 693 | 734 | 724 |
Platzbedarf 6-Jährige | 49 | 52 | 65 | 65 | 77 | 80 | 81 |
Summe Platzbedarf | 519 | 538 | 627 | 661 | 781 | 824 | 815 |
Kapazitäten (max) | 606 | 616 | 616 | 616 | 616 | 616 | 616 |
Kapazitäten (real) | 507 | 517 | 517 | 517 | 517 | 517 | 517 |
Fehlende Plätze min bis real |
12 | 21 | 11 bis 110 | 45 bis 144 | 165 bis 264 | 208 bis 307 | 199 bis 298 |
Grundschulalter
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Prognose Grundschulalter
| 2024 | 2025 | 2026 | 2027 | 2028 | 2029 | 2030 |
| 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
Platzbedarf 6-9 Jährige | 495 | 485 | 545 | 556 | 651 | 684 | 687 |
Platzbedarf 10-Jährige | 29 | 30 | 35 | 36 | 35 | 38 | 40 |
Summe Platzbedarf | 524 | 515 | 580 | 592 | 687 | 722 | 727 |
Kapazitäten (max) | 622 | 622 | 622 | 622 | 622 | 622 | 622 |
Kapazitäten (real) | 563 | 563 | 563 | 563 | 563 | 563 | 563 |
Fehlende Plätze min bis real |
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| 17 | 13 | 59 bis 124 | 100 bis 159 | 105 bis 164 |
II. BESCHLUSS:
Der Stadtrat nimmt den Bericht zum aktuellen Stand und zur Entwicklung der Kinderbetreuung in Garching zur Kenntnis.
Die Stadtverwaltung wird die vorliegende Statistik regelmäßig fortschreiben.
Außerdem soll ein mehrjähriger Handlungsplan erstellt werden, um die Versorgung mit Betreuungsplätzen in Garching langfristig zu planen und sicherzustellen.
Eine Fortschreibung der Statistik sowie der Handlungsplan werden dem Gremium jährlich vorgelegt.
