Garchinger Stadträte reagieren auf Rede zur Lage der EU

Am Mittwoch, 10. September 2025, trug Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, vor den Abgeordneten des Europäischen Parlaments in Straßburg ihre jährliche Rede zur Lage der Europäischen Union vor. Die EU-Stadträtin Sara Hoffmann-Cumani saß mit Münchner Kollegen auf dem Podium im Café Luitpold auf Einladung der Regionalvertretung der Europäischen Kommission und Europe Direct München. Über 80 Gäste waren anwesend.
In ihrer Reaktion auf die Rede zur Lage der Union 2025 hebt die Garchinger EU-Stadträtin Sara Hoffmann-Cumani hervor, wie stark europäische Beschlüsse auch die kommunale Ebene berühren: „In der Rede zur Lage der Union 2025 sind mir einige sehr wichtige europäische Lösungsansätze aufgefallen, die Bewegung in unsere großen Herausforderungen in den Gemeinden und Städten bringen können und werden: Die Vorschläge, die bilaterale Unterstützung für Israel auszusetzen und ein Instrument für den Wiederaufbau des Gazastreifens zu schaffen – diese Ansätze benötigen wir so dringend für einen Friedensdiskurs besonders in den Schulen, in denen sich der Konflikt hier vor Ort widerspiegelt.
Ebenso begrüße ich den ersten EU-Wohnraumgipfel für ein erschwingliches, nachhaltiges und soziales Bauen, damit Studenten, systemrelevante Berufe, Familien und Senioren endlich eine bezahlbare Wohnung bekommen. Diese finanzielle Aufgabe können wir in den Kommunen leider selbst nicht mehr stemmen, da die Baukostenpreise und die Kaufpreise so extrem gestiegen sind. Auch die Pakete für erschwingliche Lebenshaltungskosten, die für bezahlbare Energien sorgen sollen, würden jede Bürgerin und jeden Bürger vor Ort direkt entlasten.
Was mir allerdings fehlte, war ein stärkerer Fokus auf eine Friedenspolitik und humane Migration. Ohne diese wird die milliardenschwere Verteidigungspolitik keine Sicherheit bringen. Wir benötigen für eine innereuropäische und globale Sicherheit mehr Geld und Initiativen, um die diplomatischen und demokratischen Kräfte der europäischen Staaten und der Bürgerinnen und Bürger in den Gemeinden zu fördern. Migration benötigt kürzere Verfahrenswege und mehr chancenreiche Willkommenskultur in ganz Europa, für diejenigen, die einen Aufenthalt erhalten. Dies würde sich direkt und positiv auf den inneren sozialen Frieden und die Demokratiewahrung auswirken. Ich wünschte mir außerdem, dass die Europäische Kommission ein Zentrum für ein selbstbestimmtes Entwickeln des globalen Südens planen würde, um eine partnerschaftliche Handelsbeziehung weltweit einzurichten und die Wirtschaft und Migration zukunftsweisend zu gestalten.“
Neben Hoffmann-Cumani äußerten sich auch ihre Garchinger Stadtratskollegen zur Rede:
Simone Schmidt, Bürger für Garching Stadträtin in Garching, betont die Bedeutung eines starken europäischen Gemeinschaftsgefühls: „Wir müssen im Kommunalen wieder dringend Europa als Einheit vermitteln. Wir brauchen Jugendfahrten, trinationale bzw. internationale Treffen der Jugend und gemeinsame europäische Sportveranstaltungen – nur so erreichen wir die jungen Europäer für diesen unfassbar wichtigen Einheitsgedanken! Für mich ist dieser Friede, diese große europäische Gemeinschaft und diese glückliche europäische Freiheit zu Reisen, Arbeiten und Handeln derart wichtig, dass ein Kampf hierfür essentiell ist – aber ein friedlicher Kampf. Als Lehrkraft, Jugendleiterin, Kinderleichtathletiktrainerin, Mutter und Stadträtin wünsche ich mir Programme für deutsche, französische, spanische, tschechische etc. Kinder und Jugend! Hier müssen wir ansetzen, und ich bin jederzeit bereit, meine Energie hier einzusetzen.“
Werner Landmann, Bündnis 90/Die Grünen Stadtrat in Garching, hebt die rhetorische Leistung der Kommissionspräsidentin hervor: „Ich fand die Rede der Kommissionspräsidentin gut und war angetan von der ausgereiften Rhetorik ebenso von ihrem wirklich brillanten Englisch. Mehr als eine Stunde freie Rede auf hohem Niveau vor dem EU-Parlament ist beachtlich. Inhaltlich war es wenig überraschend, aber ich empfand die klaren Aussagen zu Gaza und die sachliche Israel-Kritik ebenso zielführend wie die Aufforderung in der Energiepolitik und der Wohnungspolitik deutlich stärker aktiv zu werden als bislang.“
Dr. Hans-Peter Adolf, Bündnis 90/Die Grünen Stadtrat in Garching, sieht die Rede eher kritisch: „Aus kommunalpolitischer Sicht enthält die Rede von der Leyens nichts Grundlegendes. Enttäuschend, wenngleich auf der bisherigen politischen Linie der Kommission, ist die Aussage, dass die Kernenergie neben den erneuerbaren Energien die Grundlast tragen soll. Das ist neben den mit der Kernkraft verbundenen Risiken, insbesondere bei der Endlagerung, technisch nicht sinnvoll. Was der ‚Europäische Plan für erschwinglichen Wohnraum‘ und der ‚EU-Wohnraumgipfel‘ bewirken, bleibt abzuwarten. Das gilt auch für das ‚Europäische Zentrum für demokratische Resilienz‘.“
Jürgen Ascherl, CSU Stadtrat und 2. Bürgermeister hebt hervor, dass Europa stark, realistisch und bürgernah handeln muss: "Aus Sicht der CSU in Garching stehen wir zu einem starken Europa, dass geschlossen zusammen steht – aber auch zu einem Europa, das die Regionen nicht übergeht, das wirtschaftlich denkt und Sicherheit garantiert. In der Klimapolitik und Energiewende muss die Transformation realistisch, technologieoffen und sozialverträglich erfolgen, gerade für den Mittelstand vor Ort in Garching. Für mehr Wettbewerbsfähigkeit braucht es Bürokratieabbau sowie Investitionen und Förderungen in Forschung und Innovation, etwa gemeinsam mit der TU München. Auf den europäischen Plan für erschwinglichen Wohnraum und den ersten europäischen Wohnraumgipfel warten wir gespannt und in Fragen von Sicherheit und Migration fordern wir mehr Unterstützung für die Kommunen sowie die rasche Umsetzung des EU-Asyl- und Migrationspakts. Unser Fazit: Ursula von der Leyen hat eine ambitionierte Vision skizziert. Wir stehen zu einem starken Europa, dass geschlossen zusammen steht – aber auch zu einem Europa, das die Regionen nicht übergeht, das wirtschaftlich denkt und Sicherheit garantiert. Europa beginnt vor Ort. Und deshalb werden wir hier in Garching genau hinschauen, wie die angekündigten Pläne sich auf unsere Bürgerinnen und Bürger auswirken. Wir fordern eine EU, die nicht nur regelt, sondern stärkt – unsere Wirtschaft, unsere Kommunen und unsere Lebensweise.“
Dr. Gerlinde Schmolke, SPD Stadträtin legt den Schwerpunkt auf Klima- und Umweltschutz und die sicher daraus abzuleitenden globalen Folgen: "Seit dem Krieg in der Ukraine und in Gaza steht das Thema Klima- und Umweltschutz nicht mehr in der Weise im Vordergrund und das auf fast allen politischen Ebenen. Auch die EU hat ihre Schwerpunkte verschoben bzw. musste sie verschieben. Das wurde auch in der Rede der Kommissionspräsidentin Ursula von Leyen deutlich. Viele Bürger können das Thema mittlerweile nicht mehr hören, trotzdem sollten wir uns dem Erhalt der Umwelt und damit der Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder verpflichtet fühlen. Die Zeiten, in denen wir Klimaschutz als ein isoliertes Politikfeld behandeln konnten, sind vorbei.
Die aktuellen Krisen zeigen uns, wie eng Klima, Umwelt, Sicherheit, Energie und Geopolitik miteinander verflochten sind. Der Krieg in der Ukraine hat Europas Abhängigkeit von fossilen Energien auf dramatische Weise offengelegt. Wir sollten deshalb den anstrengenden, aber notwendigen Schub in Richtung Erneuerbare weiter vorantreiben. Ob Atomkraft die Lösung der Probleme darstellt oder gar nachhaltig ist, angesichts des Fehlens von Endlagern, darf bezweifelt werden. Die Klimakrise macht vor Konflikten nicht halt im Gegenteil, sie verschärft Ungleichheiten, Ressourcenknappheit und Fluchtursachen und bedingt Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen. Bitte handeln wir nicht nach dem Motto „Was ich nicht sehe oder sehen will, das ist auch nicht da!“